Die Auswertung von Stellenanzeigen für Juristen

Stellenangebote richtig zu interpretieren spart Zeit und schlechte Erfahrungen

Autorin: Claudia Ellen Behr

Das Angebot an Stellenanzeigen etwa in der NJW oder Online-Stellenbörsen präsentiert sich noch immer als Fundgrube für den erwartungsfrohen Jungjuristen auf Arbeitsuche. Gerade weil dieser Weg durchaus erfolgversprechend ist, lohnt sich die Auseinandersetzung mit der Frage "Wie interpretiere ich Stellenanzeigen?", bevor man eine Kopie des vorgefertigten Lebenslaufs per E-Mail verschickt oder in ein Kuvert steckt und hoffnungsvoll der Einladung zum Vorstellungsgespräch entgegensieht.



Leider häufig gesucht: Der anspruchslose Idealjurist

Die äußere Aufmachung einer Anzeige verrät bereits manches über die ausgeschriebene Stelle, zumindest über die Bedeutung, die ihr von Seiten des Arbeitgebers zugemessen wird: wenn von derselben Kanzlei sowohl ein Stellenangebot für einen "jungen Kollegen", als auch eines für eine Rechtanwaltsgehilfin geschaltet wird, letzteres aber doppelt so groß gedruckt wie ersteres, sagt das auch etwas über den Platz aus, der dem "jungen Kollegen" in der internen Hierarchie zugedacht ist.

Die Anforderungen an den potentiellen Bewerber bzw. die von ihm verlangten Kompetenzen gliedern sich in fachliche und in persönlichkeitsspezifische Kriterien.

Fachliche Anforderungen lesen sich verdächtig oft so: herausragende juristische Fähigkeiten, durch zwei Prädikatsexamina (mindestens befriedigend!) belegt, im Ausland erworbenes verhandlungssicheres Englisch, Promotion und zweijährige Berufserfahrung [Alter: möglichst nicht über 25]. Hier stellt sich die Frage, ob die Bewerbung auf eine solche Anzeige auch dann Sinn macht, wenn man diesen Anforderungen nicht bis ins letzte Detail gerecht wird.

Die Antwort lautet grundsätzlich: ja! In Stellenanzeigen werden meistens die Maximalforderungen des Arbeitgebers formuliert (vielleicht existiert die juristische Variante der eierlegenden Wollmilchsau ja doch, erkennt sich in seiner Anzeige wieder und bewirbt sich prompt bei ihm!), die der Großteil der Mitbewerber auch nicht erfüllen kann.

Sobald eine Übereinstimmung mit ungefähr 70 % der Anforderungen besteht, die in der Stellenanzeige (unter Beachtung der vom Arbeitgeber gesetzten Schwerpunkte) aufgestellt werden, lohnt sich eine Antwort in jedem Fall. Nicht zu vergessen: Mehr als absagen kann der Wunscharbeitgeber nicht.

Hinsichtlich der Persönlichkeitsstruktur soll der Bewerber oft einem allgemeinen Ideal entsprechen, das mit Schlagworten wie "analytisches Denken, Entscheidungs- und Durchsetzungsvermögen, Flexibilität, Teamfähigkeit, Einsatzbereitschaft usw.“ umrissen wird. So ist man heute eben oder bemüht sich wenigstens darum, vor allem dann, wenn man dringend eine Stelle sucht!

Leider häufig gesucht: der anspruchslose Idealjurist

 

Die Terminologie der Inserate sollte genauestens beachtet werden; bei der Auslegung der Stellenbeschreibungen darf man genauso wenig leichtgläubig sein wie bei den Anpreisungen in Urlaubskatalogen! "Bei Eignung und entsprechendem Engagement wird baldige Zusammenarbeit auf Partnerbasis angestrebt" bedeutet beispielsweise häufig, dass Sie zunächst für einige Jahre (ohne freie Abende, dafür aber mit Wochenendarbeit) in Vorleistung gehen, bis Sie dann vielleicht in eine gleichberechtigte Position gelangen - mit gestaffelten Einkommensaussichten, versteht sich!

Wird dagegen die Unterstützung durch einen "jungen, kontaktfreudigen Kollegen" bei der "Erledigung anfallender Arbeiten" gesucht, dem dafür die Gelegenheit zu "selbständigem Arbeiten und zum Erwerb von Anwaltspraxis in einem familiären Arbeitsumfeld" geboten wird, müssen Sie eher mit einer kargen Gewinnbeteiligung - selbstverständlich nur auf die Umsätze, die Sie gemacht haben - anstelle eines Gehalts und mit der Einquartierung in die umgebaute Küche der Kanzlei rechnen, wo Sie die Fälle mit dem niedrigsten Gebührenstreitwert bearbeiten und sich mit den notorischen Querulanten unter den Mandanten herumschlagen dürfen, mit denen sich die anderen Anwälte der Kanzlei nicht abgeben möchten.

Vorsicht, Werbung!

Nicht hinter allen Inseraten der Rubrik "Stellenmarkt" steht auch tatsächlich eine freie Stelle. Manche Arbeitgeber betrachten die Schaltung einer Stellenanzeige als Marketinginstrument. Um herauszufinden, ob tatsächlich Vakanzen bestehen, kann ein erstes persönliches Gespräch am Telefon weiterhelfen. Ein solches ist ohnehin grundsätzlich für eine gute, den potentiellen Arbeitgeber ansprechende Bewerbung zu empfehlen.

Anonymous - Chiffreanzeigen

Manche Arbeitgeber ziehen es vor, Stellenangebote in anonymisierter Form aufzugeben. Möglicherweise, um von vornherein Distanz zu den Bewerbern zu wahren. Diese Vorgehensweise mag bei Bekanntschaftsanzeigen recht sinnvoll sein, erscheint bei Stelleninseraten aber eher fragwürdig. Als Bewerber hat man schließlich auch ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, mit wem man in Verhandlungen tritt. Gerade hochqualifizierte Bewerber haben oft genug Selbstbewusstsein, um chiffrierte Anzeigen aus Prinzip nicht zu beantworten. Falls man einen Stellenwechsel plant, läuft man bei einer Bewerbung auf eine solche Anzeige außerdem Gefahr, sich bei der eigenen Kanzlei/Firma zu bewerben. Das kommt dann in der Regel nicht so gut an. Um solche Fälle auszuschließen, ist es sinnvoll, die Bewerbung mit einem Sperrvermerk an den Verlag zu senden, in dem die Weitergabe an einen bestimmten Arbeitgeber untersagt wird.

Sofern Sie bei normalen Bewerbungen nach sechs Wochen noch nichts gehört haben, sollten Sie durchaus höflich aber selbstbewusst nachfragen. Und im Falle einer Absage auf ein anderes Pferd setzen...

Viel Glück bei der Bewerbung!

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