Respekt

 








Persönlichkeitsoptimierung vom Feinsten - genau das, was pseudopsychologisch Gebildete von der Psychologie und ihren Schildträgern erwarten. Letztens bot die so unglückliche Vokabel Empathie ein gutes Beispiel dafür. Über Jahrzehnte hatte sie im vollen Pschyrembel still auf ihre Chance gewartet:

"(engl.) empathy, emotionale Einfühlung in die Erlebnisweise einer fremden Person; therap. wichtig als Grundlage der Kommunikation zwischen Arzt u. Pat. in der Arzt-Patient-Beziehung, insbes. in der Psychatrie...."

Der zarte Hinweis auf die angeblich englische Herkunft könnte andeuten, die Redaktion kenne die griechische Herkunft von Empathie nicht ganz. Der Leser soll aber einfach nur daran denken, dass Empathie im deutschen Mediziner-Jargon fremd ist. Erst seit ein oder zwei Jahren bedarf es solcher Bedenken nicht mehr: eine Bereichsdirektorin der Max-Planck-Gesellschaft verschaffte der empathy sehr erfolgreich eine Menge publicity.

Als ebenfalls angeblich englischen Gast begrüßen wir den Respekt, den uns Kathrin Werner nahelegt. Betriebsratsgremien und Human-Aktivisten haben den Respekt zu ihrem Lieblingswort erkoren: Wer sich ernst genommen fühle, wer seine Arbeit gut gemacht zu haben glaube, wer sich wohl fühle und keine Angst haben zu müssen meine, der sei wohl mit Respekt geradezu verwöhnt worden. Die ebenso angebliche Wohlfühl-Wirkung rechtfertigt einen großen Appell an die Menschheit:

Begegnet einander mit Respekt! Kathrin Werner meint sogar, darin einen ethischen Imperativ entdeckt zu haben: "Weiterhin gilt nur eine Maßgabe für den Umgang miteinander: Respekt."


Dennoch: Der Kant´sche Imperativ wird sicher den Werner´schen überdauern. Denn Kathrin Werner übersieht in ihrem Feuereifer, dass auch ein gut integriertes Fremdwort wie Respekt durchaus auch selber ein wenig Respekt für sich verdient hätte. Respekt nämlich entstand aus dem lateinischen re-spicere, aus dem Zurückblicken also, das wir kompromisslos als Rücksicht ins Deutsche aufnahmen.


Das lateinische Respekt drückt also keineswegs aus, was Kathrin Werner als Respekt verstehen will. Vielmehr benennt es die klassische Abschiedsgeste, die der englische Königshof vom französischen Hof übernommen hatte: der Gast bleibt dem Herrscher beim Hinausschreiten bis zur Tür zugewendet, er zieht sich rückwärts zurück - zum Beispiel einer Ergebenheit. Diese Geste nannte man den Respekt, den Rückblick auf die königliche Hoheit. Sie gehört noch heute zur Ausbildung des klassischen Balletts.

Ganz anders liest sich die Wortbedeutung aus der US-Tradition. Der Chef soll seinen Arbeitskräften Respekt zollen, um damit deren Arbeitszufriedenheit und Leistungswillen zu erhalten. Bewiesen ist da bis heute - nichts. Beschrieben umso mehr. Das Schlüsselwort lautet "Wertschätzung", die kluge Chefs seit Dale Carnegie seinen Angestellten entgegenbringen müsse, wenn er ein verhaltensprägendes Leistungsklima anstrebt. Er würde das auch genauso machen, wenn zu einer Schauspiel-Ausbildung auch ein Drehbuch für alle Fälle mitgeliefert würde. Das Drehbuch ist bis heute nicht geschrieben. Denn Leitung ist kein Theaterspiel, sondern die Arbeit eines Chefs, der die acht Regeln der Organisation kennt und anzuwenden weiß. Aber: das ist ein anderes Kapitel.



Unser Autor





Georg M. Sieber, Jahr­gang 1935, ist Diplom­psycho­loge in München. 1964 gründete er sein Institut für An­ge­wandte Psycho­logie, die Intelligenz System Trans­fer GmbH (11 Niederlassungen). Sein per­sön­liches Inte­res­sen­gebiet sind die Schrif­ten his­tor­ischer Vor­läufer der heu­ti­gen Psychologie, de Federico II., Machiavelli, Palladio, Ínigo López de Loyola u.a.

Für den fachlichen Austausch steht er gerne zur Verfügung: 089 / 16 88 011 oder per eMail:

Georg.Sieber [at] IST-Muenchen.de

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