Werdegang sowie berufliche Besonderheiten eines Staatsanwalts


Klassische Einsteigerstationen für den Staatsanwalt (oder die Staatsanwältin, die auch diesmal der Lesbarkeit geopfert wird) sind Referate/Dezernate, die sich mit allgemeiner Kriminalität, also Diebstahl, Körperverletzung und Betrug usw., oder mit Straßenverkehrsdelikten befassen. Beim „Bohren“ überwiegend „dünnerer Bretter“ können die Technik der Aktenarbeit, die Abläufe in- und außerhalb der Behörde und die Arbeit vor Gericht eingeübt bzw. kennen gelernt werden.

Die Vorgesetzten oder erfahrene Kollegen unterweisen den neuen Kollegen, stehen für Fragen zur Verfügung und zeichnen seine Anträge und schriftlichen Anweisungen in den Akten („Verfügungen“ genannt) gegen. Nach ca. drei Monaten erhält der Staatsanwalt das Recht, alleine zu unterschreiben.










Wenn er ausreichend Erfahrung gesammelt und Sicherheit gewonnen hat, frühestens nach ein bis zwei Jahren, kann er, jedenfalls in größeren Staatsanwaltschaften, in ein Spezialgebiet, wie z.B. das Wirtschafts- und Steuerstrafrecht oder das Betäubungsmittelrecht, wechseln, wobei seine Interessen, soweit möglich, berücksichtigt werden. Auch besondere Kenntnisse, wie z.B. die frühere Tätigkeit bei einer Bank, können eine Rolle spielen. Nach drei Jahren Probezeit wird der Staatsanwalt Beamter auf Lebenszeit. 

Der Berufsalltag unterscheidet sich von dem der Beamten aus anderen Bereichen, wie z.B. der Finanzverwaltung, erheblich. Während dort Beamte des höheren Dienstes von Anfang an vorwiegend Führungsaufgaben wahrnehmen, arbeitet der Staatsanwalt - zumindest in seinen ersten Berufsjahren - selbst am Fall. Der Reiz dabei ist, dass er „nahe dran“ ist und konkrete Einblicke in ganz unterschiedliche Lebensbereiche erhält, sei es den eines illegal eingereisten Asylbewerbers, eines religiös motivierten Gewalttäters oder eines international operierenden Anlagebetrügers.










Die Auswirkungen der eigenen Arbeit sind sofort und unmittelbar zu spüren. Wer z.B. einen Beschuldigten festnehmen lässt, ihn selbst vernimmt und ihm später vor Gericht gegenüber sitzt, hat die Folgen des eigenen Handelns unmittelbar vor Augen. Der Staatsanwalt muss damit leben, dass ein erheblicher Teil seiner Maßnahmen in Frage gestellt oder mit Rechtsmitteln angegriffen wird. Das ist Folge seiner im Vergleich zur allgemeinen Verwaltung sehr weitreichenden Eingriffsbefugnisse. Selbst wenn er ein Verfahren einstellt, ist Widerspruch häufig, in diesem Fall von Seiten des Anzeigeerstatters.

Die Arbeit des Staatsanwalts findet nicht selten öffentliches Interesse. Er muss sich deshalb darauf einstellen, dass seine Aktivitäten, z.B. bei großen Durchsuchungsaktionen oder spektakulären Prozessen, von den Medien begleitet und bewertet werden.

Dass der berufliche Kontakt zur Lebenswelt von Kriminellen auch Risiken mit sich bringt, wird dann deutlich, wenn – was aber sehr selten der Fall ist – der Staatsanwalt vom Beschuldigten oder von Personen aus seinem Umfeld persönlich zum Feind erklärt und bedroht wird. Im Einzelfall kann es sogar erforderlich sein, dass ein Staatsanwalt Personenschutz erhält und/oder mit einer Dienstwaffe ausgestattet wird. Gefahren gehen vereinzelt auch von geistig verwirrten Verfahrensbeteiligten aus, die sich ungerecht behandelt fühlen. 

Der weitere Werdegang nach der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit hängt davon ab, wie die Laufbahn im jeweiligen Bundesland ausgestaltet ist. In manchen Bundesländern ist ein befristeter oder dauerhafter Wechsel in den Richterberuf der Normalfall, in manchen eine Ausnahme. Ein solcher Wechsel hat den Vorteil, dass er den Horizont erweitert und - nach Rückkehr zur Staatsanwaltschaft - die Akzeptanz auf der Richterbank erhöht. Eine weitere Möglichkeit, sich für einige Jahre außerhalb der Staatsanwaltschaft zu betätigen, sind Abordnungen an Gerichte und Behörden des Bundes, wie z.B. als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesgerichtshof oder als Beamter im Bundesjustizministerium, oder an Einrichtungen der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen.

 

Ein erfahrener Staatsanwalt mit einer guten Beurteilung kann eine Beförderung zum Staatsanwalt als Gruppenleiter erreichen. In Bayern beispielsweise, wo der Wechsel in den Richterberuf die Regel ist, erfolgt die Beförderung, wenn sich der frühere Staatsanwalt einige Jahre auch als Richter bewährt hat. Ein Staatsanwalt als Gruppenleiter arbeitet weiter hauptsächlich am Fall, wobei ihm aber besonders schwierige und/oder umfangreiche Fälle zugewiesen werden. Manchmal hat er daneben als stellvertretender Abteilungsleiter Führungsaufgaben.









Eine Beförderung zum Oberstaatsanwalt, die selten vor dem 40. Lebensjahr erfolgt, bringt eine deutliche Veränderung der Aufgaben mit sich. Die Arbeit am Fall tritt in den Hintergrund. Ein Oberstaatsanwalt ist entweder als Abteilungsleiter bei einer Staatsanwaltschaft oder als Sachbearbeiter bei der Generalstaatsanwaltschaft tätig. Als Abteilungsleiter hat er mehrere Staatsanwälte und Staatsanwältinnen zu führen und die Arbeitsabläufe zu organisieren.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist Aufsichtsbehörde über die Staatsanwaltschaften eines Bezirks und Schaltstelle zwischen den Staatsanwaltschaften und dem Justizministerium eines Landes. In ihren Aufgabenbereich fällt z.B. die Entscheidung über Beschwerden gegen die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens oder die Sammlung und Weiterleitung von Berichten über wichtige Verfahren. Einigen besonders qualifizierten Beamten gelingt ein weiterer Aufstieg zum Leitenden Oberstaatsanwalt, der einer Staatsanwaltschaft oder einer Abteilung der Generalstaatsanwaltschaft vorsteht, oder sogar zum Generalstaatsanwalt. 


Unser Autor

Peter Boie

Staatsanwaltschaft München I (mittlerweile AG Erding)


Copyright

Dr. von Göler Verlagsgesellschaft mbH, Karriere-Jura.de

Copyright Bilder:

Aktenvermerk: Spotsoflight via pixabay

Handcuffs: KlausHausmann via pixabay

Richterhammer: qimono via pixabay

Kennen Sie den Newsletter Karriere-Jura?

Der kostenlose Newsletter Karriere-Jura bietet hilfreiche In­formationen über den Arbeits­markt für Juristen, Fort­bildungs­mög­lich­kei­ten, Tipps für Be­werbung und Vor­stellungs­ge­spräch sowie aktuelle Stellenangebote für Juristen und Rechtsreferendare.

Abonnieren