Bitte meiden Sie jedenfalls die Karriere!

Glosse von Georg Sieber

Sie sind vermutlich ehemaliger Abiturient oder Maturant. Dann haben Sie auch das Latinum. Die Karriere wird nämlich aus guten Gründen nicht in der Muttersprache, sondern lieber englisch oder gleich lateinisch ausgelobt (für Briten ist Latein eine in besseren Kreisen beliebte Mitgift der jahrhundertelang von den Römern besetzten Briten. Das machte den brexitverliebten, vorletzten Regierungschef so sicher, dass er ohne Deckung in einen multiplen Krieg zog – Ende einer Karriere). Also zurück zum Thema:

Sie wollen irgendwie „nach oben“. Das ist Ihre Idee von der Zukunft. Dafür ist das Wort „Karriere“ allerdings die falsche Adresse. Karriere heißt nämlich nur einfach Karrenweg.


Das ist ein Rundkurs, der immer im Kreis um einen Berg, einen See, über Feldern und Wiesen, über Brücken, durch Bäche und Flüsse und dann wieder an Berg, See, Feld und Wiese vorbei über Bach und Fluss führt. Mehr ist nicht. Wiederholungen ohne Ende. Ihre Karriere. Öde Jahre werden vergehen.

Das ist der ewige Schwiegermuttertraum: Karriere.

Eine Karriere hat viele Vorteile. Man wird sich an alles gewöhnen – ohne Hektik und Stress. Für ein bisschen Abwechslung sorgen die immer gleichen 99 Aufgaben, Erledigungen, Fragen, Antworten, die zum Ausgleich in unterschiedlich nummerierten Gerichtsräumen verlesen, diskutiert, beraten und „erledigt“ werden.

Überlegen Sie, ob Sie statt Karriere nicht doch lieber einen AUFSTIEG anstreben möchten.

Damit entgehen Sie jedenfalls der Eintönigkeit der Karrenspur. Der Aufstieg ist überdies auch sehr viel interessanter. Sie werden links und rechts der Karrenwege persönliche Widersacher und Wettbewerber finden. 

Echte Menschen machen ihren beruflichen Alltag zu einer spannenden Expedition. Sie werden Auswege suchen, Kompromisse ausdenken, Ihre Replik zwei- oder dreimal in den Müll werfen – erst die vierte Fassung wird Sie zufrieden stellen. Zu all dem werden Sie tagtäglich einhundert Anlasse für Diskussionen, für Lexikarecherchen oder telefonische Anfragen entdecken. Und wenn Sie abends die Bürotüre hinter sich schließen, werden Sie merken, dass viele Fragen Sie ungebeten begleiten. Daran erkennen Sie, dass Sie in Ihrem Beruf hineinwachsen, ein Experte für dieses oder jenes Problem werden. Und eines Tages werden Sie merken, dass Sie bereits mehrere Stufen hinter sich gelassen haben, dass Sie aufgestiegen sind, dass es interessant war.

Es wird dann ganz bestimmt von Tag zu Tag immer wieder ein Stück interessanter werden. Großes Ehrenwort. Der Anwaltsberuf lässt Sie aufsteigen, weil man diesen Beruf gar nicht anders ausüben könnte.

Günstige Karrieren dagegen finden Sie überall.
Dazu müsste man nicht das Recht studieren.

Versichert 

Ihr Georg Sieber


Unser Autor

Georg M. Sieber, Jahrgang 1935, ist Diplompsychologe in München. 1964 gründete er sein Institut für Angewandte Psychologie, die Intelligenz System Transfer GmbH (11 Niederlassungen). Sein persönliches Interessengebiet sind Schriften historischer Vorläufer der heutigen Psychologie, de Federico II., Machiavelli, Palladio, Í­­nigo López de Loyola u.a.

Für den fachlichen Austausch steht er gerne zur Verfügung:
089 / 16 88 011 oder per eMail: Georg.Sieber@IST-Muenchen.de

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